Samstag, 27. Februar 2016

Unsere Zeit im Schau-Spiel

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Graf Öderland/Wir sind das Volk

Wir gehen ja nicht all zu oft ins Theater. Leider nehmen wir uns zu wenig Zeit dafür. Unser Sohn hat es uns diesmal nicht nur empfohlen, sondern uns zu Weihnachten zwei Karten geschenkt. Inzwischen ist auch die nächste Aufführung am 09. März ausverkauft. Graf Öderland? Ich konnte mir nichts darunter vorstellen. Ein Bühnenstück aus dem späten 40er/frühen 50er Jahren von Max Frisch. Mit Texten von Dresdner Bürgern? Wir sind das Volk?

http://www.staatsschauspiel-dresden.de/

Die Fabel beschreibt eine autoritäre Rebellion, sagt Mitautor und Regisseur Volker Lösch. Ein Staatsanwalt möchte auf seiner Suche nach Freiheit ausbrechen. Er ist unfähig, einen Mörder zu verurteilen und wird letztlich diktatorischer Anführer einer fragwürdigen, brutalen Revolte.

Und diese Geschichte wird auf der Bühne verwoben mit Texten aus unserem Zeitgeschehen. Jeder erkennt sofort, dass es da um Pegida geht, in den Spiegelungen von gestern und heute. Zitate aus Bürgergesprächen und Demonstrationsansprachen. Alles wird hochaktuell dargestellt:  Bautzen, Clausnitz...! Bachmann, Festerling, Merkel, Gabriel... Das Publikum war sofort im Bann dieser theatralischen Direktheit, das war von Anfang an zu spüren. Betroffenheit. Mehr Fragen als Antworten. Die Textfetzen wurden oft von größeren oder kleineren Sprechchören vorgetragen. Schauspieler stellten in fast nackter Weise ihre persönliche Sicht dar. Ein junger Syrer berichtete, wie er unter Schmerzen seine Familie und seine Heimat verlassen musste, auf der Balkanroute um das Leben gekämpft hatte und jetzt in Dresden ankommen ist, ohne wirklich im neuen Leben angekommen zu sein.

Und dann immer wieder dieser stereotype Ruf: Wir sind das Volk! Was für ein Volk sind wir denn? Von den 500.000 Einwohnern Dresdens zeigen sich tatsächlich nur wenige auf den montäglichen Straßen, um den Volks-Rufern zu zeigen, wer wirklich das Volk ist. Dresden war so gräßlich zerstört und ist heute wieder so wunderschön aufgebaut. Und jetzt wird es wieder zerstört... Durch Rassismus und fehlende Empathie. Dürfen wir zusehen, wie das Image dieser friedlichen und kulturvollen Stadt immer mehr zerkratzt und zerbröckelt wird? Graf Öderland wird tragischer Diktator dargestellt und sein "Volk" als marodierende, axtschwingende Meute. Das ist ein furchtbares Bild!

https://www.youtube.com/watch?v=tr3_6R5LpIw

Dr. G. Dietmar Rode, Radebeul


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