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Roger Willemsen verstarb mit 60 Jahren
Er war einer der feinsinnigsten Denker in unserer nicht
immer denkfreundlichen Gesellschaft. Sollte er, Gott steh uns bei, nicht der
letzte sein, wird er doch fehlen. Denn gerade an der intellektuellen Debatte mangelt
es immer wieder mal – Pegida will und wird sie nicht ersetzen. Gerade dazu
hätte ich so gern seine Meinung gelesen…
1984 veröffentlichte er sein erstes Buch. Er war Dozent,
Übersetzer, Korrespondent, TV-Moderator, Regisseur und Produzent. Sein Buch „Das
Hohe Haus. Ein Jahr im Parlament.“ (S. Fischer Verlag, 2014) steht in meinem
Bücherregal in einer Sachbuch-Reihe mit Landolf Scherzers „Der Letzte“ (Aufbau
Verlag, 2000) und Gerhard Besiers „Fünf Jahre unter Linken. Über einen
Selbstversuch“ (Verlag am Park, 2014). Aber sein Buch steht an der Spitze, d.h.
ganz links. Und ich habe viele Bleistiftanmerkungen darin vorgenommen, was auf
meinen besonderen Lesegenuss hinweist.
Heinrich Löbbers schrieb: „Ein Jahr lang hat er jede Sitzung
des Deutschen Bundestages von der Tribüne aus verfolgt. Viele, viele Stunden
lang saß er da oben, von früh bis spät. Und war damit vermutlich länger
anwesend als irgendein Abgeordneter.“ (Sächsische Zeitung: Hollywood im Hohen
Haus. 31. März 2014, S. 19). Und er war nicht da, um mit den Parlamentariern zu
palavern, sondern um sie dabei zu beobachten. Er wollte sich nicht mit denen
direkt schlagen.
Gleich so ziemlich am Anfang seiner Betrachtungen stellte
Willemsen ernüchtert fest: „Das Parlament ist der öffentlichste Raum und doch
in manchem so undurchsichtig wie unverständlich. (S. 23) Und er erklärte den
Grundakkord vieler Debatten als „wechselseitige Missbilligung und rhetorische
Ehrabschneidung“. (S. 34) Die Sprache des Parlaments charakterisierte er
rigoros damit, dass sie zwischen grob vereinfachend und populistisch changiere.
„Zugleich aber ist das Parlament damit
beschäftigt, Nicht-Verstehen herzustellen. (S. 99f.)
Den bis dahin noch ahnungslosen Wahlbürgern dürften die ehrlichen,
szenischen Darstellungen auf den Magen schlagen. Die Abgeordneten sind ganz
normale Menschen – zänkisch, egoistisch und irgendwie verrückt. Sie spielen mit
ihren Handys und Tablets, lesen demonstrativ Zeitung, beschimpfen sich
gegenseitig und bekunden permanent körpersprachlich, nicht zuzuhören. Selbst Angela
Merkel ist da nicht ausgenommen, denn sie scheint auffallend oft den Saal
verlassen zu müssen, wenn Gregor Gysi spricht. Manche haben offenbar mit dem
Eintritt in das Parlament das Ende ihres Ehrgeizes erreicht. (S. 268) Und das
mit den Parteien scheint dann auch nur Schwindel gewesen zu sein – sie haben
sie nur gebraucht, um in den Bundestag zu kommen.
Wird Willemsen Lust haben, nunmehr von seiner Wolke herunter
zu blicken? Vielleicht sollte man wenigstens in alle Dienstwagen des
Bundestages Hörbücher von ihm legen.
G. Dietmar Rode
Blogger
G. Dietmar Rode
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