Dienstag, 10. Februar 2015

Pegida "nach ohne Bachmann". Frank aus Dresden gibt Auskunft

Im Folgenden dokumentieren wir den kritischen Bericht eines Beobachters aus Dresden. (zum Originaltext - oder Überschrift anklicken!)

PEGIDA-Besucher sollten sich allmählich doch fragen, wem sie da eigentlich folgen 

RuptlyTV, der Ableger von Russia Today ist bei PEGIDA immer gern gesehen. Denn im Unterschied zu den deutschen Medien, die immer nur lügen und alles verdrehen, haben russische Medien bekanntlich immer nur die Wahrheit gesendet und noch nie etwas einseitig dargestellt. So einfach scheint die Welt zumindest für PEGIDA-Besucher zu sein.
Gestern Abend, also am 09.02.2015, wurde von RuptlyTV wieder per Livestream die PEGIDA-Demonstration übertragen, die erste nach mehreren Wochen Pause. Erstaunlich war, wer da nach etwa 20 Minuten vor der Bühne auftauchte: Lutz Bachmann. War der nicht zurück getreten? Aber laut seiner Armbinde war er hier offensichtlich nur „Ordner“. Ein Ordner, der ziemlich viel koordinierte. „Da könnt Ihr ruhig aufnehmen“, hört man im Video ab 20:15 min eine aufgeregte Frau, die sich offensichtlich an Vertreter der Lügenpresse richtete: „Lutz ist der beste von allen … egal was gewesen ist … dagegen von der Regierung, was da für Leute drinne sitzen …“. Soso, Lutz ist also der beste von allen.
Insofern passte es ja, dass Lutz „Er ist wieder da“ Bachmann dann sogar die Eröffnungsrede hielt. Später hielt er auch die Abschlussrede. Zunächst warnte er wieder vor der Presse: „Gebt Fake-Reportern keine Chance, jeder von Euch ist verantwortlich für den Nachbarmann“. Anschließend wischte er sein #bachmanngate kurzerhand vom Tisch:
„ … möchte ich kurz Stellung nehmen zu den Sachen, die über mich aufgetaucht sind. Da ist ein drei Jahre altes Foto mit einem Bärtchen (sympathisierendes Gelächter im Hintergrund) … das war einer der Gründe, weswegen ich zurücktreten musste, zum zweiten sind Screenshots aufgetaucht (…) in denen ich einfach ein paar Worte benutzt habe, wie jeder von uns … JEDER … bin ich mir sicher, schon mal am Stammtisch benutzt hat …“

Das gab im Publikum zustimmendes Pfeifen, Johlen und Klatschen.

An der Stelle muss sich jeder verbliebene PEGIDA-Besucher doch allmählich ein paar unangenehme Fragen gefallen lassen. Wörter wie „Gelumpe“, „Dreckspack“ oder „Viehzeug“ habt Ihr also alle schon einmal für Ausländer benutzt? Die Behauptung, „es gibt keine echten Kriegsflüchtlinge“ habt Ihr alle schon einmal ausgesprochen? Eure zustimmende Reaktion kann ja kaum anders gewertet werden.
Tut mir leid, aber an der Stelle ist bei mir endgültig Schluss mit der Bereitschaft, bei PEGIDA irgendetwas verstehen zu wollen. Und ich habe es wirklich versucht. In Internetdiskussionen habe ich bisher die Meinung vertreten, man könne nicht immer alles mit Nazi-Vorwürfen vom Tisch wischen, man solle sich mit den Problemen und Argumenten beschäftigen, die so viele Menschen zu PEGIDA treibt … einmal habe ich sogar Bachmann gegen Vorwürfe verteidigt, rechtsradikal zu sein. Das war allerdings vor dem Bekanntwerden seiner Screenshots. Ich habe mir Übertragungen von Gesprächsrunden mit PEGIDA-Besuchern aus der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung angesehen, war selbst dort, habe (möglichst umfassende) Interviews mit PEGIDA-Besuchern gelesen und angesehen, aber meine Fähigkeit als PEGIDA-Versteher stößt hier an Grenzen.
Es gibt also angeblich einen Problemstau, der von PEGIDA-Besuchern wahrgenommen wird? Okay. Aber warum muss man dafür zu Demonstrationen gehen, die eindeutig sehr rechte Tendenzen haben? Wenn als Hauptrednerin Tatjana Festerling auftritt, die selbst der AfD zu rechts war, wenn anschließend Götz Kubitschek auftritt, der allgemein als „Neuer Rechter“ eingestuft wird, dann sollte man sich schon fragen, ob man nicht auf der falschen Veranstaltung ist. Und wenn man es stattdessen völlig normal findet, solchen Leuten zuzuhören, dann sollte man sich umso mehr ein paar ganz grundsätzliche Fragen stellen.
Die dritte Rednerin, „Anastasia aus Russland“, die Kriegstreiberei gegen Russland kritisierte, hätte allerdings auch vor Gegendemonstranten sprechen können. Sie erhielt aber auch deutlich weniger Beifall.
„Merkel muss weg! Merkel muss weg!“ skandierte das Publikum während ihrer Rede. Dazu kann man den Rufern leider nur sagen: Entschuldigung, ihr Spaßvögel, aber rein statistisch gesehen habt Ihr sie selbst gewählt! Auch wenn man von einem erhöhten Nichtwähler-Anteil bei PEGIDA ausgeht, dann sollte es sich auch bei denen allmählich herum gesprochen haben, dass man selbst als Nichtwähler indirekt für manche Parteien einen Nutzen hat. Wenn man „Merkel weg“ haben will, sollte man vielleicht gerade deshalb wählen gehen. Nur rufen bringt da nicht viel.
Was für einen Erkenntnisgewinn brachten die gestrigen Redner Tatjana Festerling und Götz Kubitschek den Besuchern? Welche Punkte wurden angesprochen, um den angeblichen Problemstau zu lösen? Eigentlich keine. Beiden Rednern ging es hauptsächlich – was für ein Zufall! – nur um die Gegner von Rechten, nämlich die bösen Linken. Frau Festerling begann mit allgemeiner Politikerschelte, sparte sich aber selbstverständlich Erklärungsversuche, wie Alternativen aussehen könnten. Wer es übrigens noch nicht wusste: Oberbürgermeister wie Helma Orosz, Burkhard Jung und andere sind „alle von der Sharia-Partei Deutschlands“. Aha, wieder was gelernt. Ansonsten ging es Frau Festerling größtenteils um Kritik an linken Demonstranten, die sie mit einer „fachlich fundierten“ psychologischen Einschätzung so beschrieb:
… das sind die Enkel der 68er. Unter dem Deckmäntelchen der Freiheit wurden sie größtenteils antiautoritär sich selbst überlassen. Persönlichkeit reift aber im Wechsel aus liebevoller Zuwendung und Grenzen setzen. Diese Menschen erlitten narzisstische Verletzungen und konnten kein Wertegerüst und keinen inneren Halt aufbauen. Sie zeichnen sich durch Bindungsunfähigkeit, Egozentrik ein labiles Selbstwertgefühl und die Unfähigkeit zu Empathie aus. Je brutaler und irrationaler sie sich zeigen, desto größer scheinen die seelischen Verletzungen zu sein.
Wenn Frau Festerling das so sagt, wird es schon so sein.
Götz Kubitschek, der laut eigener Aussage schon fünfmal als Teilnehmer in Dresden war, arbeitete in seiner Rede darauf hin, dass linke Gegendemonstranten bekämpft werden müssten, weil sie eine gefährliche Ideologie hätten. Laut Kubitschek lautet ihre falsche Ideologie:
Der Mensch, wie wir ihn kennen, gefällt uns nicht. Wir wollen einen neuen Menschen.
Ist das so? Vielleicht wollen Linke einfach nur, dass man nett zu anderen sein möge und dass man ein wenig an sich arbeiten sollte, ein besserer Mensch zu werden.  Das streben auch viele Religionen an und das kann man sich auch als Ungläubiger als Ziel setzen. Ich wüsste nicht, was so falsch daran sein sollte, sich geistig weiter zu entwickeln. Für Kubitschek ist das jedenfalls ein ganz falscher Ansatz, denn er endet in Blutbädern und Knochenmühlen:
Unser zusammengefasster Grundsatz gegen die linken Ideologie vom Neuen Menschen: Wir wollen keinen neuen Menschen. Wir wissen, dass jede Suchen  nach einem neuen Menschen ein rücksichtsloses Experiment ist. Wir wissen, dass diese Experimente immer verheerende Folgen haben. Ich muss hier nun nicht die großen Experimente, die großen Katastrophen zitieren. Das kommunistische, das sozialistische und das nationalsozialistische Experiment an einem neuen Menschen. Diese Experimente endeten allesamt verheerend, in Blutbädern und Knochenmühlen und welche Stadt wüsste das besser als das zerstörte Dresden.
Eine Nummer größer ging es wahrscheinlich nicht, aber nun wissen wir, wozu linke Demos und übrigens auch Späße wie gender mainstreaming führen.
Ich kann PEGIDA-Besuchern auch nur dringend empfehlen, vor dem Klatschen kurz zu überlegen, was da eigentlich gerade gesagt wurde und wozu man gerade klatschen will. Wenn jemand wie Götz Kubitschek über die schlimmen Politiker sagt:
„Ein Denken in Wahlperioden … wollen wir das?“
dann sollte man vor dem Ruf„Nein!!!“ vielleicht kurz nachdenken, wie es ansonsten funktionieren könnte. Wird nicht jeder Politiker, selbst der engagierteste, aus unterschiedlichen Gründen in Wahlperioden denken müssen? Soll man also konsequenterweise Wahlen abschaffen? Was will uns Herr Kubitschek da eigentlich andeuten?
Man könnte sich auch Gedanken machen, wie realistisch Behauptungen sind wie diese
 … eine gute Politik experimentiert nicht. Eine gute Politik darf uns nicht überfordern …
oder wie eigentlich Kubitscheks Lösungsansätze zu seiner Globalisierungskritik aussehen
… Schluss mit rasantem Umbau, Schluss mit dieser Beschleunigung … Wir müssen die Verteidigung des Eigenen auf unsere Fahnen schreiben
Zum Abschluss verlas Lutz Bachmann noch ein Grußwort (angeblicher?) Holocaust-Überlebender. Es macht sich ja immer gut, wenn man etwas im Namen von Holocaust-Überlebenden sagen kann. Zwei ältere Juden („Ingrid und Otto aus Hannover“) dankten darin im Namen aller in Deutschland lebenden Juden Pegida dafür, dass sie „gegen Islamisierung wie ein Bollwerk“ stehen. Ich weiß nicht, ob das alle in Deutschland lebenden Juden auch so sehen, dass hier in ihrem Namen gedankt wurde, zum Schluss des Schreibens wurden es aber sogar alle Juden in Europa und in Israel. Ingrid und Otto zufolge befindet sich PEGIDA in einer guten Tradition:
Friedliche Märsche brachten die Mauern von Jericho zum Einsturz, es waren friedliche Märsche von Martin Luther King … friedliche Märsche von Ghandi in Indien … friedliche Montagsdemos in der DDR (usw.)
Den Bogen noch eine Nummer größer zu spannen, war auch hier kaum noch möglich. Bachmann schloss mit: „Nächste Woche wird wieder spazieren gegangen“.
Ich kann denjenigen, die darüber nachdenken nur empfehlen: Denkt vorher darüber nach, welchen Leuten Ihr da zuhören werdet und was die Reden eigentlich mit der Lösung Eurer Probleme zu tun haben könnten. Vielleicht solltet Ihr Euch besser selbst organisieren und überlegen, was Ihr tatsächlich wollt.

 

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